Blitzschnell und ausdauernd: Das Englische Vollblut – Der Usain Bolt der Pferdewelt

Vorsprung durch Geschwindigkeit: Warum kein anderes Pferd – und kaum ein Mensch – dem Vollblut das Wasser reichen kann.

Das Englische Vollblut ist der Inbegriff von Schnelligkeit und Ausdauer im Pferdesport. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von bis zu 70 km/h übertrifft es nicht nur alle anderen Pferderassen, sondern auch viele Wildtiere – und lässt menschliche Sprintlegenden wie Usain Bolt (44,72 km/h) weit hinter sich. Während Bolt für 100 Meter etwa 9,58 Sekunden benötigt, legt ein Vollblut in dieser Zeit rund 185 Meter zurück – beinahe das Doppelte.

Rennpferde bei der Morgenarbeit

 

Diese Fähigkeit ist nicht angeborene Wildheit, sondern das Ergebnis gezielter Zuchtarbeit. Seit dem 17. Jahrhundert verfolgen britische Züchter ein klares Ziel: das schnellste und zugleich ausdauerndste Pferd der Welt zu erschaffen. Die Zucht basierte auf der Kreuzung von kräftigen einheimischen Stuten mit wendigen und zähen orientalischen Hengsten. Die berühmtesten dieser Hengste – Byerley Turk, Darley Arabian und Godolphin Barb – gelten als Stammväter aller heutigen Vollblüter.

Fast jedes moderne Rennpferd führt diese Hengste in seinem Stammbaum. Ein Beispiel: Der legendäre Eclipse, der im 18. Jahrhundert ungeschlagen blieb, beeinflusst über 90 % aller heutigen Vollblüter genetisch – eine Art „Ur-Olympiasieger“ im Erbgut jedes Rennpferdes.

Eclipse (*1764 †1789) blieb in allen seinen 18 Rennen ungeschlagen

Video-Tipp: Die Entwicklung des Rennpferdes

Dieses Video zeigt eindrucksvoll die Evolution, Zähmung und Zuchtgeschichte des Vollbluts – von den ersten Wildpferden bis zum modernen Rennpferd.

Anatomie einer Rennmaschine

Das Englische Vollblut ist körperlich perfekt auf Leistung getrimmt:

  • Lange Beine mit elastischen Gelenken erlauben große, federnde Galoppsprünge. Für Laien: Das ist wie bei einem Basketballspieler mit langer Beinspannweite – ein Schritt deckt viel mehr Boden.

  • Eine tiefe Brust schafft Platz für ein besonders großes Herz und ein Lungenvolumen von bis zu 55 Litern – fast zehnmal mehr als bei einem Menschen. Zum Vergleich: Ein Luftballon fasst etwa 10 Liter – die Pferdelunge ist also wie ein Bündel aus fünf prall gefüllten Ballons, das bei jedem Atemzug arbeitet.

  • Die Muskeln bestehen zu einem großen Teil aus schnell zuckenden Fasern, die für blitzartige Starts sorgen. Ähnlich wie bei 100-Meter-Läufern werden Energie und Kraft in kürzester Zeit abgerufen.

Video-Empfehlung: Bewegung in Perfektion – Der Körper eines Rennpferdes in Aktion

Diese Videos zeigen, wie eng jedes Galoppelement mit dem Atemzyklus verknüpft ist: Ein Sprung – ein Atemzug. Die riesige Lunge dehnt sich im Rhythmus, das Herz pumpt literweise Blut pro Schlag, und jeder Schritt wird zum elastischen Katapult – angetrieben durch Sehnen, die stärker sind als Stahlfedern.

2. Teil des Videos

3. Teil des Videos

🧠 Für Laien verständlich: Was hier passiert, ist Biomechanik auf Formel-1-Niveau – aber in einem 500 kg schweren Lebewesen.

Besonders faszinierend: Die Einblicke in das Innere des Körpers. Das Team rund um Wissenschaftler und Tierärzte zeigt, wie groß Lunge und Herz tatsächlich sind, und warum Pferde quasi ihre eigenen Blutdoping-Systeme besitzen – ganz natürlich über die Milz.

 

Vergleich mit menschlichen Athleten

Während ein trainierter Mensch für einen Marathon über zwei Stunden benötigt, kann ein Vollblut innerhalb von zwei Minuten 3.000 Meter zurücklegen – mit hoher Intensität und scheinbar mühelos. Selbst Weltklasse-Sprinter könnten einem Rennpferd keine 10 Sekunden folgen, bevor sie abreißen müssten. Das Pferd vereint die Schnellkraft eines Sprinters mit der Ausdauer eines Triathleten.

Ein weiteres Beispiel: Während der menschliche Puls bei Belastung etwa 180–200 Schläge pro Minute erreicht, kann das Pferdeherz auf bis zu 240 Schläge hochtakten – bei einem Pumpvolumen von bis zu einem Liter pro Schlag. Das entspricht fast einem vollen Wassereimer pro Herzschlag, wohingegen das menschliche Herz nur ein kleines Glas Blut (ca. 100 ml) befördert.

Rennleistung als einziges Zuchtkriterium

In der Vollblutzucht zählt ausschließlich die Leistung auf der Rennbahn. Schönheit, Farbe oder Größe sind irrelevant. Nur wer Rennen gewinnt oder herausragend platziert ist, kommt für die Zucht infrage. Das ist vergleichbar mit der Olympianorm im Sport: Nur wer die Leistung bringt, wird zugelassen.

Die Bezeichnung „Thoroughbred“ bedeutet wörtlich übersetzt „durchgezüchtet“. Damit ist kein negativer Begriff gemeint, sondern ein Hinweis auf die konsequente Leistungsselektion über Jahrhunderte. Bei keinem anderen Nutztier oder Sporttier wurde so gezielt auf eine einzige Eigenschaft hin gezüchtet – die Geschwindigkeit.

Beispiel aus der Praxis: In Deutschland dienen alle Galopprennen offiziell als Leistungsprüfungen nach dem Tierzuchtgesetz. Das bedeutet: Ein Sieg oder eine gute Platzierung ist nicht nur sportlicher Erfolg, sondern gleichzeitig ein amtliches Zuchturteil.

Fazit: Evolution auf der Überholspur

Das Englische Vollblut ist kein Zufallsprodukt. Es ist ein biologisches Meisterwerk, entstanden durch klare Zuchtziele, präzise Selektion und über 300 Jahre Erfahrung. Es vereint Muskelkraft, Ausdauer, Charakter und einen unbändigen Leistungswillen – wie ein Formel-1-Wagen mit Herz und Seele.

Für Laien verständlich ausgedrückt: Wenn der Mensch ein gut trainierter Mittelklassewagen ist, dann ist das Englische Vollblut der Ferrari unter den Pferden – gebaut für Geschwindigkeit, Ausdauer und Faszination pur.


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Die Dynastie der Champions: Englische Vollblüter und ihre legendären Stammväter

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„Vollblut pur“ – Unsere neue Serie über das außergewöhnlichste Pferd der Welt